Warum Startups scheitern müssen

Neun von zehn Startups scheitern, und das ist für Personen, die mit der Startupszene oder dem Unternehmertum nicht vertraut sind, schwierig zu begreifen. Ein Unternehmen zu gründen ist riskant. Können genug Kunden gewonnen werden? Liegt das Geschäftslokal am richtigen Ort? Ist das Produkt oder die Dienstleistung attraktiv genug sodass Kunden immer wieder kommen?

Das Produkt / Die Dienstleistung

Traditionelle Unternehmen wissen dass sie sich mit anderen Unternehmen und Geschäftsmodellen vergleichen können. Wenn du einen Friseurladen aufmachst dann weisst du was dein Produkt ist, dass es Kunden gibt, und wieviel du dafür verlangen kannst. Daraus errechnet sich dann die Gewinnspanne und all die anderen Kennzahlen, weil dieses Geschäftsmodell ein bereits erprobtes ist.

Nicht so bei einem Startup. Ein Startup ist – um es provokant zu formulieren – eine Organisation die nicht genau weiss was das Produkt oder die Dienstleistung ist, wer die Kunden sind, und wie man damit Geld macht. Ziehen wir als Beispiel Twitter heran.  Was ist denn eigentlich das Produkt? Leute senden sich damit Botschaften mit einer Länge von 140 Zeichen? Wer ist daran interessiert? Und wie kann Twitter damit Geld machen?

Oftmals beginnen Startupgründer mit einer Idee um kurz darauf erkennen zu müssen, dass sie nichts taugt und etwas anderes probiert werden muss. Sie machen einen sogenannten Pivot. Instagram ist solch ein Beispiel. Diese beliebte Fotoapp begann sogar unter einem anderen Namen (Burbn) und war eine Checkin-App, ähnlich der bekannten Foursquare-App. Erst nachdem die Gründer die Daten analysierten fanden sie heraus, dass die Benutzer vor allem die Fotofilterfunktion verwendeten. Das war der Moment wo Burbn pivotierte, diese Funktion ins Zentrum stellte und den Namen auf Instagram änderte.

Google wiederum hatte mehrere Jahre hindurch kein Geschäftsmodell und keine Einkünfte. Auch war es anfänglich völlig unklar, ob ein andere Algorithmus um Suchergebnisse zu gewichten überhaupt von Wert und Vorteil für die Benutzer war, waren doch Yahoo! und andere Suchmaschinen bereits sehr erfolgreich. Es brauchte einige Zeit herauszufinden, dass die Benutzer Google wirklich schätzten und der Suchmaschine treu blieben. Und das war der Moment wo auch das Geschäftsmodell gefunden und erfolgreich wurde.

Die Ausführung

Die beste Idee ist wertlos, wenn das Gründerteam schlecht ausführt. Ideen sind billig, aber sie umzusetzen ist schwer. Es gab mindestens zwei Dutzend weitere Apps die wie Instagram waren, aber entweder mussten sie aufgeben oder sich in einer Nische zufriedengeben. Facebook war nicht das erste oder beste soziale Netzwerk. Davor gab es Friendster, Myspace oder StudiVZ. Sie hatten einen Vorsprung, aber Facebook machte eine bessere Umsetzung und gewann. Die anderen Netzwerke verschwanden entweder oder belegen heute Nischen (wie es beispielsweise Myspace für Musiker tut, oder VKontakte für russisch sprechende Mitglieder).

Schnelligkeit, Reaktionszeit, Netzwerk, und die Bereitschaft Risiken auf sich zu nehmen sind einige der Elemente die ein Startup machen oder brechen können. Die richtige Kombination zu finden ist schwierig. Ein falscher Schritt am Anfang kann später zu unüberwindbaren Hindernissen führen. Das kann beispielsweise technische Schuld sein die ein Team auf sich nahm, weil es schnell sein wollte, aber etwas schlampig machte und es nun die Plattform in der Stabilität gefährdet.

Die Regulierungen und Rahmenbedingungen

Selbst mit den besten Ideen und Teams spielen Regulierungen und Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle für den Erfolg. Ähnliche Ideen entstehen in mehreren Ländern, aber die existierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können kritisch sein. Uber (USA) und mytaxi (Deutschland) sind eigentlich sehr ähnliche Anwendungen. Man kann damit eine Fahrdienstleistung bestellen. Aber Uber hat mit Stand Ende 2015 über acht Milliarden Dollar an Risikokapital aufgenommen und bereitet sich auf einen Börsengang vor, während mytaxi 2013 von Daimler gekauft wurde und bis dahin 40 Millionen Euro aufgenommen hatte. Uber hat mytaxi um den Faktor 200 beim Risikokapital übertrumpft. Während mytaxi innerhalb der Regeln spielte (indem es mit bestehenden Taxi-Unternehmen kooperierte), hat Uber mit den Regeln gespielt (und ging mit Taxi-Unternehmen auf Konfrontationskurs).

Ein anderes Beispie ist LinkedIn (USA) und XING (Deutschland). Beide Unternehmen sind soziale Netzwerke für Berufstätige, aber XING kam nie über den deutschsprachigen Markt hinaus. Ein Teil des Problems liegt an den strengen Dtaenschutzbestimmungen die XING dabei behinderten auf Daten basierende Dienstleistungen anzubieten, während LinkedIn dadurch nicht eingeschränkt war.

Das Risikokapital

Auch wenn die 40 Millionen Euro die mytaxi an Risikokapital aufstellen konnte und die anschließende Akquisition durch Daimler als großer Startuperfolg in Deutschland gelten, verblasst er im Vergleich zu den acht Milliarden von Uber. Natürlich ist Uber ein extremes Beispiel, aber die Verfügbarkeit an Risikokapital in den USA ist einfach so viel höher, dass selbst solche Summen aufgestellt werden können. Der Grund liegt nicht darin, dass es in den USA mehr Geld gibt. Es gibt eine ganze Menge an altem Geld in Europa, nur wird dieses kaum für Risikokapital eingesetzt. Um Risikokapitalinvestitionen zu tätigen benötigt man auch erfahrene Venture Kapitalisten. Und die gibt es in Europa kaum. Das Silicon Valley hat sehr viel Erfahrung damit, und dieses Wissen wuchs über viele Jahre.

Das Ausprobieren aller Varianten

In der Chemie gibt es oft mehrere Arten wie eine chemische Verbindung erzeugt werden kann. Man kann mit einfacheren Ausgangssubstanzen beginnen, oder komplexere Strukturen in weniger komplexe zerlegen und auf diese Weise zum Endprodukt kommen. Am Ende gibt es einen oder einige wenige Weisen die am kostengünstigsten sind.

Man kann sich Startups ähnlich vorstellen. Sie versuchen auf verschiedene Weise das Endprodukt zu erschaffen. Aber es gibt einen großen Unterschied: bei einem Startup kann selbst das Endprodukt unbekannt sein, aber trotzdem probiert man alle möglichen Varianten aus.

Nehmen wir als Beispiel Airbnb. Dieses Startup hilft Leuten dabei ihre Zimmer, Wohnungen und Häuser an Reisende zu vermieten. Kann man dieses Model auch auf andere, physische Objekte anwenden? Beispielsweise ein Airbnb für Garagenstellplätze? Nun, wie sich herausstellt gibt es einige Startups die genau das ausprobieren: ParkatmyHouse und JustPark. Oder ein Airbnb für Lagerplätze? Es gibt tatsächlich drei Startups: Roost, StowThat, RovingBox. Airbnb für Büros? Auch das gibt es und es heißt ShareDesk. Und selbst ein Airbnb um Haustiere unterzubringen gibt’s: DogVacay, Holidog, Mad Paws. Und auch das umgekehrte Modell, wo sich Reisende ein Haustier für die Dauer des Urlaubs am Urlaubsort mieten können gibt es: Rent-a-pet.

Gibt es eine Nachfrage nach solchen Dienstleistungen und Produkten? Wir wissen es nicht. Für die meisten vermutlich nicht, aber wenn man es nicht ausprobiert, dann wird man es nie wissen. Je öfter es ausprobiert wird, desto höher die Chance eine Lösung zu finden. Wenn Thomas Edison nach hundert Experimenten aufgegeben hätte, die richtige Kombination für eine funktionierende Glühbirne zu finden, dann hätten wir erst später oder nie elektrisches Licht bekommen. Aber Edison gab nicht auf und die Statistik ist auf der Seite dieser Herangehensweise. Je mehr Kombinationen man probiert, desto eher findet man eine Lösung. Edison benötigte über 1000 Variationen um die eine zu finden die taugte. Ein Umfeld in dem man selbst die wildesten Ideen ausprobieren darf wird mehr funktionierende Ideen finden als ein Umfeld das kein Risiko eingehen will.

Der Zeitpunkt

Manchmal ist ein Startup seiner Zeit mit einem Produkt voraus, wo der Markt oder die verfügbare Technologie noch nicht bereit oder reif genug ist. Foursquare war nicht das erste Unternehmen das dessen Gründer begannen. Derselbe Service war einige Jahre früher SMS-basiert, aber er scheiterte. Mit Smartphones funktionierte dieser Ansatz aber plötzlich. Mobile Anwendungen für Krankenhäuser waren bereits im Jahr 2000 verfügbar, aber erst mit der Durchdringung von Smartphones, Tablets und WLAN waren die Benutzer bereit dafür. Der Apple Newton war seiner Zeit 20 Jahre voraus.

Zu spät sein ist auch schlecht. Der Markt kann bereits unter den schnelleren Mitbewerben aufgeteilt worden sein. Den richtigen Zeitpunkt finden kann extrem wichtig sein, und das Fenster nur einen kurzen Moment offen stehen. Was man aber nicht sagen darf ist „Wir haben das schon einmal probiert und es ging schief!“ weil der Zeitpunkt nicht der richtige gewesen sein mag.

Schlußfolgerung

Ein Unternehmen zu starten ist riskant genug, und noch mehr wenn man ein Startup mit neuen Modellen probiert. Um zukünftigen Wert zu schaffen muss das aber probiert werden. Solange ein paar erfolgreiche Startups mehr Wert schaffen als die gescheiterten vernichten, solange ist das eine gute Strategie. Je mehr probiert wird, desto mehr (funktionierende) Lösungen können gefunden werden. Je höher die Anzahl an Startups, desto mehr werden scheitern, aber auch desto mehr erfolgreiche wird man finden.

Deshalb müssen wir dabei helfen viele Startups auch mit verrückten Ideen zu gründen und in Kauf nehmen, dass einige davon scheitern werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in Englisch auf Enterprise Garage.

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